Neue Ideen aufnehmen, speichern und abrufen

Wissen, wie man lernt, ist eine unglaublich nützliche Fähigkeit, mit der wir schnell auf Informationen zugreifen und die Fähigkeiten entwickeln können, die wir benötigen, um produktiver zu sein. Dazu gehört es auch, Prokrastination zu reduzieren und Gelerntes unter Stress abrufen zu können.

Neue Ideen aufnehmen, speichern und abrufen
Photo by Dmitry Ratushny / Unsplash

In einer Espressolänge

Ich hatte die Gelegenheit, den kostenlosen Online-Kurs „Learning How To Learn“ zu absolvieren[1] und möchte gern meine wichtigsten Erkenntnisse weitergeben. Vieles ist dabei auch für einen produktiveren Arbeitsalltag interessant: schnelles Aufnehmen von Informationen, Prokrastination reduzieren, Wissen unter Stress abrufen können.

Einleitung

Jeder weiß doch, wie man lernt. Wieso solltest du hier etwas Neues erfahren? Bestimmt hast du schon jahrelanges Gepauke hinter dir und vielleicht bist du froh, dass es damit nun endlich vorbei ist.

Aber wir alle können Erkenntnisse aus diesem Bereich nutzen, um unsere Produktivität zu verbessern und die Erinnerungsfähigkeit an Gelerntes zu stärken. Wir können uns bewusst machen, welche Methoden und Techniken uns dabei helfen können, neues Wissen schneller aufzunehmen, besser zu behalten und abrufen zu können.

Wenn du also mit neuen Ideen in Berührung kommst oder an Themen arbeitest, versuche diese Methoden in deinem Alltag anzuwenden. Du wirst merken: Mit dem richtigen Mindset und den Tricks gelingt es dir leichter als gedacht, neue Konzepte schnell aufzunehmen, gut zu behalten und so produktiver zu werden.

Grundlegendes

Unser Gehirn ist ein grandioses Werkzeug. Wir sollten es, so gut wir können, nutzen. Dafür hilft es, zwei Zustände zu kennen:

Fokussierung und Zerstreuung

Sind wir auf eine Sache fokussiert und konzentrieren uns darauf, sind wir in einem Modus, der eher für Verstehen und Durchdringen von neuen Inhalten gedacht ist. Dabei benutzen wir unseren präfrontalen Cortex in der Großhirnrinde. Nach neueren Erkenntnissen können hier, in unserem Arbeitsgedächtnis, jeweils vier Informationsstränge gleichzeitig darin gehalten werden. Gleichzeitig gibt es noch einen Modus der Zerstreuung, der einsetzt, wenn wir uns entspannen, nachdem wir fokussiert an etwas gearbeitet haben. Dann beginnt das Gehirn ein Bild vom großen Ganzen zu zeichnen. Dieser Zustand kann nicht auf ein einziges Hirnareal begrenzt werden, sondern findet im ganzen Gehirn verteilt statt.

Beide Modi sind notwendig, um zu lernen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Um effizienter zu lernen, solltest du also bewusst beide einsetzen:

Der Tomaten-Timer

Ein besonders wirkungsvolles Mittel, um sich bei der Arbeit konzentrieren zu können, ist die Pomodoro-Technik. Diese Technik ist eine der bekanntesten und effektivsten Methoden, um produktiv und effizient zu arbeiten. Sie basiert auf dem Prinzip, dass man sich für eine festgelegte Zeitspanne auf eine Aufgabe konzentriert und anschließend eine Pause einlegt. Während der Arbeitszeiten versucht man, die Ablenkungen so gering wie möglich zu halten, um die Konzentration zu fördern. In der Pause kann man sich dann entspannen.

(Danke an die großartige Nadine Roßa und ihren Blog sketchnote-love.com, dass ich diese Sketchnote nutzen darf.)

Nach jeweils vier Zeitblöcken baust du eine längere Pause ein (15-20 Minuten). Hier siehst du bereits, dass es sich um eine gezielte Mischung aus Konzentration und Zerstreuung handelt. Besonders wichtig ist es, diese Pausen auch einzuhalten und den Zerstreuungsmodus des Gehirns zu unterstützen.

Als übermäßig effektive Zerstreuung hat sich dabei Sport oder generell körperliche Aktivität erwiesen. Hast du schon einmal eine Tanz-Session während des Lernens eingeschoben?

Ausreichend schlafen

Die ultimative Zerstreuung haben wir natürlich während des Schlafs. Hier kommt noch ein weiteres Merkmal hinzu: Über den Tag bilden sich Giftstoffe im Gehirn. Während wir schlafen, werden unsere Zellen kleiner und erlauben einen schnellen Abtransport dieser Gifte. Kommt es nicht zu diesem Entsorgungsvorgang, denken wir schlechter und erinnern uns nicht so gut.

Zusammengefasst ist Lernen wie das Bauen eines Gebäudes. Versucht man eines an einem einzigen Tag zu bauen, ohne das Fundament trocknen zu lassen, wird es instabil. Wir brauchen Pausen, damit sich das Wissen festigen kann.

Chunking

Du beginnst den Erfolg beim Lernen dann zu spüren, wenn sich kleine Stücke von Wissen zu einem Block formen. Das kannst du ausnutzen und diesen Prozess unterstützen. Im Englischen heißt dieser Vorgang Chunking, weil chunks (Blöcke) gebildet werden.

Diese Blöcke sorgen dafür, dass wir schneller auf das Wissen zugreifen können und dass es weniger Anstrengung kostet. Routinen wie Autofahren ist ein anschauliches Beispiel dafür. Oder vielleicht fällt dir auch selbst etwas ein, das zu Beginn ganz anstrengend war, aber nun leicht von der Hand geht?

Wir bauen solche Chunks bewusst, wenn wir uns von „unten und oben“ nähern, wenn wir an den Details arbeiten, aber gleichzeitig auch eine Vorstellung vom großen Ganzen (the big picture) aufbauen. Wie ordnet sich das Thema in den Rest unseres Wissens ein? Dafür ist es unabdingbar, dass du wirklich verstehst, worum es geht und wie es funktioniert. Und Verstehen kommt nicht durch bloßes Lesen zustande, sondern setzt voraus, dass du es selbst anwenden kannst, vor allem in einer anderen Situation.

Den Überblick kannst du dir auch verschaffen, indem du in der Literatur schaust, wo das Thema verankert ist. Schau dir die Gliederung an, bevor du in die Details gehst. Wie wird das Thema eingeleitet? Was ist die Motivation dahinter?

Üben, wiederholen und selbst anwenden sind also die Kernelemente beim Bilden von Wissensblöcken. Unterstützen kannst du das noch, indem du dich selbst abfragst oder es anderen erklärst.

Wenn du auf Chunks zurückgreifen kannst, reduzierst du den Platz, der dafür in deinem Arbeitsgedächtnis eingenommen wird.

Prokrastination

Eine der größten Hürden ist das Prokrastinieren, also das wissentliche Aufschieben von Aufgaben. Das wird in letzter Zeit intensiver untersucht und die wissenschaftlichen Erkenntnisse ändern sich deswegen bisweilen.

Was auch immer die Gründe dafür sind, sich nicht an die Arbeit zu machen, sondern stattdessen etwas anderes zu tun, es gibt einige Hilfestellungen, die du ausprobieren kannst.

Ein häufiger Grund für Prokrastination scheint zu sein, dass die Aufgabe zu schwer oder zu groß ist. Hier hilft es, wenn du dich statt auf das Ergebnis darauf konzentrierst, das Arbeiten daran am Laufen zu halten (Prozess statt Produkt). Das schaffst du, indem du dir vornimmst, daran zu arbeiten, ohne dich dem Druck auszusetzen, etwas Bestimmtes beenden zu müssen. Das geht unter anderem hervorragend mit der oben besprochenen Pomodoro-Technik: Setze dich für 25 Minuten ran und gibt dein Bestes. Stück für Stück baust du dann einen Wissensblock (chunk) auf, der es im Weiteren ein wenig leichter macht. Ganz nach dem Motto „Wie isst man einen Elefanten? Biss für Biss.“

Eine weitere Hilfe kann es sein, wenn du dir die der Prokrastination zugrunde liegenden Mechanismen einmal anschaust. Wann hast du das Bedürfnis, eine Aufgabe zu verschieben? Warum? Was tust du dann? Häufig liegt eine Routine dahinter, die aus Auslöser, Handlung und Belohnung besteht und im Gehirn durch einen Glaubenssatz verankert ist. Die Fragen eben werfen Licht auf den Auslöser. Und Selbsterkenntnis hilft, um daran etwas zu ändern. Bewusst kannst du Einfluss auf Handlung und Belohnung nehmen.

Begib dich zum Arbeiten oder Lernen in eine Umgebung, die dir deine Prokrastinationshandlungen erschweren: leg dein Smartphone stumm in ein anderes Zimmer, schalte alle Störfaktoren, soweit es geht, aus, schaffe eine Umgebung, in der du dich wohlfühlst.

Durch die Prokrastinationshandlung wird im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, was uns ein gutes Gefühl vermittelt. Das passiert immer, wenn wir uns mit etwas belohnen. Das kannst du dir auch zunutze machen, indem du dir selbst eine gute Belohnung versorgst, wenn du etwa deine Pomodoro-Session abgeschlossen hast.

Und bedenke auch, dass du beim Arbeiten unter Zeitdruck dein Gehirn nicht im Zerstreuungsmodus für dich arbeiten lassen kannst.

Was kannst du sonst noch tun?

  • Arbeite mit anderen
    Nutze die Gesellschaft von anderen Menschen, um die produktive Atmosphäre für dich zu nutzen. Dafür gibt es auch Co-Working-Räume oder -Online-Angebote.
    Beim Arbeiten im Team nutzt du die Möglichkeiten, in einen aktiven Dialog über den Stoff zu kommen.
  • Sieh dich vor, dass du dich nicht in falscher Sicherheit wiegst. Durch bloßes Mindmapping, Unterstreichen oder wiederholtes Lesen von Lernstoff, bleibt dieser nicht hängen. Teste dich selbst, was du verstanden hast und bearbeite selbstständig Aufgaben.
  • Zeitversetztes Wiederholen, z. B. durch Flash-Karten, ist eine gute Methode, sich selbst zu testen.
  • Kein Marathon-Läufer würde vor am Tag vor dem Marathon noch einmal einen 20-km-Lauf machen. Erhole dich, bevor du eine Prüfung hast. Deine Lernphase sollte mindestens einen Tag vor einem Test abgeschlossen sein und du solltest dir eine gute Nachtruhe gönnen.
  • Lernst du immer am gleichen Ort, kann es helfen, die Wiederholung oder das Abrufen von Informationen in einer anderen Umgebung zu machen.
  • Verknüpfe Bekanntes mit dem Neuen. Wechsel auch gelegentlich zwischen Themen.

Für das Behalten von Fakten, die in keinem logischen Zusammenhang stehen, kannst du einige Techniken nutzen:

  • Loci-Methode (auch Gedächtnispalast): Baue dir eine Geschichte, in der du die Fakten mit Orten verbindest. Als „Palast“ kannst du ein Gebäude nutzen, das du in- und auswendig kennst. Gehe in Gedanken durch diesen Palast und verbinde deine Fakten mit witzigen Geschichten. Je witziger und absurder, desto besser bleibt es im Gedächtnis. Dies erfordert allerdings ein wenig Übung.
  • Verbinde Zahlen mit bekannten Begebenheiten: Geburtsjahr eines Elternteils, 21. Geburtstag, Anzahl der Stufen zur Wohnung …
  • Benutze Bilder, Analogien und Sketchnoting, um beide Gehirnhälften (logisches Denken und Kreativität) für dich arbeiten zu lassen. Dazu gehören auch Merksätze wie „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel“ für die Reihenfolge der Planeten (Merkur, Venus, Erde …)

Abrufen von Informationen unter Stress

Eine klassische Situation dafür sind Tests, aber auch Vorträge oder kritische Gespräche. Und der beste Ansatz, um dem Stress zu begegnen, ist natürlich Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung.

Wenn du gut vorbereitet bist, gibt es noch einige Tricks, die helfen können, in der Situation, z. B. bei Prüfungsangst, besser klarzukommen.

Der Körper schüttet in Stresssituationen Cortisol aus. Das lässt uns schwitzen, erhöht den Herzschlag und verschafft uns ein flaues Gefühl im Magen. Bedenke, dass das nicht zwingend ein schlechtes Zeichen sein muss. Es signalisiert Leistungsbereitschaft. Versuche es neu zu interpretieren: Die Situation bringt mich dazu, mein Bestes zu geben und mein Körper ist bereits in der richtigen Einstellung dafür.

In Ergänzung dazu solltest du eine Atemtechnik parat haben, die dich ein wenig beruhigt, falls es das Cortisol zu gut mit dir meint. Zwei Sekunden tief einatmen, einen weiteren Atemzug nehmen, um die Lungen „übervoll“ zu machen, und dann langsam sechs Sekunden lang durch den Mund ausatmen, kann bereits helfen. Dabei legst du eine Hand auf den Bauch und spürst, dass sie sich bewegt. Das passiert nämlich nur, wenn du richtig tief einatmest. Auch das ist etwas, das du vorher üben solltest. Es kann übrigens auch helfen, wenn du abends nicht zur Ruhe kommst.

Ob es sich nun um einen schriftlichen Test handelt oder um das Abarbeiten von Arbeitsaufgaben, während einer stressigen Zeit im Büro, beginne mit dem Schwierigen zuerst. Arbeite so weit du kommst und wechsle dann zu einer leichteren Aufgabe. Hier nutzt du wieder, dass das Gehirn von selbst weiter daran arbeitet.

Fazit

Zu diesem Thema ließe sich noch so viel mehr schreiben und auch hier sind einige Dinge nur grob angerissen. Vielleicht sind aber bereits einige hilfreiche Vorschläge dabei. Und was für das Lernen gilt, kannst du auch im Job nutzen.

Beiße dich nicht in schwierigen Aufgaben fest und lasse diese nicht bis zuletzt offen. Wenn man eine fette Kröte zu schlucken hat, sollte man das so schnell wie möglich machen und sie nicht den ganzen Tag anstarren.

Nutze die Abwechslung von fokussiertem Arbeiten und Zerstreuung, um die Fähigkeit des Gehirns zu nutzen, unterbewusst für dich weiterzuarbeiten. Verstärke das durch sportliche Betätigung und ausreichend Schlaf.

Beginne mit einer Aufgabe und arbeite etwas daran. Die meisten Menschen tun sich mit neuen und herausfordernden Aufgaben zu Beginn schwer, weswegen es wichtig ist, dass du einfach anfängst und siehst, wohin es dich bringt. Gib der Ablenkung keinen Raum und nutze die Pomodoro-Technik mit einer Belohnung nach einer geschafften Session, die der Aufmerksamkeit durch soziale Medien ebenbürtig ist.

Begleitende Literatur:

[1] https://coursera.org/share/ace875e4dd605145d75886055799dee7


Informationen und Kontakt zu Coachings auf https://muench.coach/.