Mit einem guten Maß an Kontrolle lebt es sich leichter

Sollten wir alles in unserem Leben kontrollieren können? Würde es uns dann besser gehen? Hier geht es darum, wie man eine gute Balance zwischen Kontrolle und Gelassenheit erreichen kann.

Mit einem guten Maß an Kontrolle lebt es sich leichter
Photo by Sivani Bandaru / Unsplash

In einer Espressolänge

Hättest du gern mehr Kontrolle über einige Aspekte deines Lebens? Versuchst du, Dinge zu kontrollieren, die sich nicht kontrollieren lassen? Oder fühlst du dich in bestimmten Situationen dem Leben einfach nur hilflos ausgeliefert? Mehr Kontrolle lässt sich durch eine bessere Verortung erreichen: Wenn du Einfluss nehmen kannst, dann tu es. Wenn nicht, dann akzeptiere es.

Kontrolle

Gemäß dem Lexikon für Psychologie ist Kontrolle

ein zentrales Bedürfnis jedes Menschen, die Umwelt und auch Innenwelt den eigenen Wünschen entsprechend zu beeinflussen, also aktiv oder passiv zu kontrollieren, oder zukünftige Ereignisse zumindest vorhersehen zu können.

Das konkrete Bedürfnis bezieht sich dabei meist auf einzelne Situationen, in denen wir nicht in dem Maß Einfluss nehmen können, wie wir es gerade wollen. Es hängt also auch von unserer Wahrnehmung und unseren Erwartungen ab. In einem gewissen Umfang kontrollieren wir immer etwas: wann wir duschen gehen, wie viel wir essen, ob wir Sport treiben oder nicht. In bestimmten Situationen sind wir allerdings überfordert und wünschen uns mehr Kontrolle.

Einige Menschen fühlen sich wie eine Marionette im Wind, wie ein Spielball des Lebens und anderer Menschen. Sie haben den Eindruck, nichts kontrollieren zu können. Andere glauben, alles kontrollieren zu können, und sind frustriert, wenn es nicht so klappt wie gewünscht.

In beiden Fällen liegt es am Gefühl, zu wenig Kontrolle zu haben. Es geht nicht darum, alles zu kontrollieren oder kontrollieren zu können. Das wäre das entgegengesetzte Extrem. Ziel sollte es sein, eine gute Balance zu finden.

Zudem gibt so etwas wie erlernte Hilflosigkeit. Je länger oder je häufiger wir das Gefühl haben, Aspekte unseres Lebens nicht selbst gestalten zu können, desto größer wird die Überzeugung, dass wir es gar nicht könnten.

Erlernte Hilflosigkeit ist eine echte Gefahr für die psychische Gesundheit.

Vielleicht kennst du das Gebet nach Kraft, die Dinge zu ändern, die man ändern kann, nach Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann, und nach Weisheit, zwischen beiden zu unterscheiden. Dieser Artikel soll bei dem letzten Punkt helfen.

Circle of Influence

Der Autor Shawn Achor erzählt in seinem Buch Das Happiness-Prinzip von einer Szene aus dem Film Die Maske des Zorro von 1998 mit Antonio Banderas. Hier trifft der Held auf Diego de la Vega, der ihn als sein Lehrer zu den Grundlagen zurückbringt. Das ist notwendig, da Zorro zu viel auf einmal versucht und ihm weniger gelingt als gewünscht. De la Vega stellt ihn daraufhin in einen Kreis, der gerade so groß ist, dass Zorro die Ränder berühren kann.

Stell dir vor, du stehst in einem Kreis, der so breit wie deine ausgestreckten Arme ist. Alles in diesem Kreis kannst du verändern. Außerhalb dieses Kreises befinden sich die Dinge, die nicht oder nicht so leicht zu verändern sind.

Im Inneren des Kreises fühlen wir uns wohl, weil alles bekannt und kontrollierbar ist – außerhalb ist es chaotisch. Der Kreis ist ein Bild für unsere Kernkompetenzen, unsere Komfortzone und die Dinge, die wir im Griff behalten können; und auch für die Dinge, für die wir verantwortlich sind.

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Die Welt außerhalb lässt sich noch etwas genauer beschreiben: Es gibt Dinge, die wir im Moment nicht erreichen können. Und es gibt Dinge, die für immer außerhalb unserer Kontrolle bleiben werden. Diesen letzten Bereich nennen wir schlicht die „Schlechtwetterzone“. Dazu gehört unter anderem das Wetter, dass wir keine direkte und persönliche Kontrolle über einen Stromausfall, verspätete Bahnen, über politische und wirtschaftliche Ereignisse oder über Krankheit und Tod haben. Und natürlich gehören dazu auch all die Sachen, die in der Vergangenheit liegen und nun nicht mehr zu ändern sind.

Für Dinge in der Schlechtwetterzone lohnt es sich nicht, durch Aufregen Energie zu verschwenden. Für alles andere ebenfalls nicht.

Den ersten, kleinen Kreis können wir gut einordnen. Das ist der Kreis, auf den wir unmittelbar Einfluss nehmen können. Und den großen, äußeren Kreis verstehen wir auch einigermaßen gut. Die Dinge hier entziehen sich komplett unserer Kontrolle. Was ist aber das dazwischen? Hier liegt die Zone von Dingen, die wir nur mittelbar beeinflussen können.

Häufig befinden sich hier andere Menschen. Oder genauer gesagt unsere Wahrnehmung von anderen Menschen. Das Kind, das das dreckige Geschirr in die Spüle statt in die Spülmaschine stellt. Der Kollege, der einen nie ausreden lässt, die Chefin, die überzogene Forderungen an uns hat.

Das ist der magische Bereich. Der Bereich, in dem wir große Veränderungen bewirken können. Viel – zu viel – Energie verwenden wir oft darauf, uns über Dinge aufzuregen, die nicht so laufen, wie wir uns es vorstellen. Das kennst du bestimmt selbst.

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Wenn dieser mittlere Bereich zu groß ist, wenn uns zu viele Dinge beschäftigen und ärgern, hat das auf Dauer Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit. Und wer viel Energie in Sorgen oder Ärger steckt, erzeugt damit noch mehr davon. Es fällt zunehmend schwerer, sich davon zu befreien, bis es letztendlich krank macht.

Was soll mittelbare Kontrolle sein?

Was soll das heißen, wir haben mittelbar Einfluss auf das, was im zweiten Kreis passiert? Im Grunde bleiben uns nur drei Möglichkeiten, mit den von uns dort verorteten „Problemen“ umzugehen.

Love it, change it or leave it,

also es lieben zu lernen, es zu verändern oder es als unveränderbar zu akzeptieren. Verändern können wir es, indem wir Verantwortung dafür übernehmen und es aktiv angehen. Und wir können es lieben lernen, wenn sich unser Blick darauf verändert. Alle drei Möglichkeiten liegen bei uns.

Dazu ist es notwendig, uns zu fragen, was wir in der Situation machen können. Wir können andere Menschen nicht ändern. Manchmal hilft es, Schwierigkeiten offen anzusprechen, oder um Hilfe zu bitten. Wenn sich dadurch die Situation für uns nicht verbessern lässt, können wir es bewusst in den kleinen, den Zorro-Kreis hineinziehen oder in die Schlechtwetterzone schieben. Für den letzten Punkt ist es hilfreich, einen Spruch wie „Tja, da kann man nichts machen. Aber das Leben geht weiter.“ für den inneren Dialog parat zu haben.

Es in den Zorro-Kreis zu ziehen heißt ggf. darüber nachzudenken, wieso uns etwas stört („Wieso regt mich das eigentlich auf?“), Mitgefühl für die andere Person oder ihre Umstände zu entwickeln oder andere Kompetenzen entwickeln, um damit umzugehen. Bei einem hohen Aufgabenpensum, das die Chefin einem aufbürdet, könnte es auch hilfreich sein, die eigenen Arbeitsmethoden einmal auf den Prüfstand zu stellen. Productivity-Coaching ist dafür auch eine hervorragende Möglichkeit.

Mir ist klar, dass das eine Binsenweisheit ist und doch erfordert es scheinbar ungeahnte Kräfte, so etwas umzusetzen. Die Entscheidung, die Dinge zu ändern oder zu akzeptieren, dass sie (im Moment) nicht änderbar sind, kann uns Ruhe geben. Durch eine Kultur und Erziehung, dass es okay ist, sich aufzuregen, fällt es uns allerdings schwer, so eine Entscheidung überhaupt als möglich zu erachten. Und noch schwerer fällt es uns, aus einer Gewohnheit des Schimpfens herauszukommen.

Das Geheimnis ist Erkenntnis und Aktion

Zu Beginn geht es also erst einmal darum zu erkennen, was sich direkt in unserem Einflussbereich befindet und was nicht. Es kann helfen, zur Ruhe zu kommen und mental Frieden zu finden, indem man akzeptiert, dass mal etwas nicht nach Plan läuft, dass die Bahn eine Minute zu früh kam oder dass der Kollege gerade schlechte Laune hat.

Der zweite Schritt ist, nach Möglichkeiten zu suchen, den inneren Kreis zu vergrößern und mehr Dinge aktiv selbst zu verändern. Rechne beim nächsten Mal etwas mehr Puffer für die Bahn ein, sprich mit dem Kollegen, der seine schlechte Laune gerade an dir ausgelassen hat, entwickle ein Bewusstsein dafür, dass es manchmal gar nicht gegen dich geht, lerne Grenzen zu setzen.

Dafür kann es nützlich sein, seine Kompetenzen zu erweitern oder auch bisherige Wege zu verlassen.

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Was kannst du jetzt konkret tun?

Nimm dir etwas zu schreiben.

  1. Schreib auf, was dir gerade Stress bereitet und unterteile es in zwei Kategorien:
  • Dinge, die du beeinflussen kannst, und
  • Dinge, die sich außerhalb deines Einflussbereichs befinden.
  1. Erkenne an, dass du die Verantwortung für das trägst, was in deinem Einflussbereich liegt. Gerade dieser Punkt trägt ungemein dazu bei, das Gefühl von Hilflosigkeit zu verringern.
  2. Werde dir bewusst, wie groß dein innerer Kreis ist. Fühlst du dich überwältigt von etwas, dann beschränke dich: Überfordert dich eine Aufgabe, dann wähle einen Teil aus, dem du dich zuerst zuwendest. Dann dem nächsten.

Was kannst du noch tun?

Wenn du dich damit sicher fühlst, und eine gute Idee hast, was du direkt kontrollieren oder beeinflussen kannst, kannst du dich dran machen, den inneren Kreis Stück für Stück auszuweiten:

  • gute Ziele setzen, die helfen zu priorisieren,
  • Techniken lernen, die dich effizienter arbeiten lassen,
  • Grundannahmen hinterfragen, die dich behindern,
  • gesunde Gewohnheiten aufbauen,
  • in Ich-Botschaften kommunizieren,
  • den Zorro-Film anschauen,
  • deinen inneren Kreis und dich selbst besser kennenlernen.

Vertraue auf die anderen und erwarte keine Perfektion. Gehst du mit gutem Beispiel voran, kannst du dir später nicht vorwerfen, dass du nicht genug getan hättest, und vielleicht färbt deine Haltung ja auf andere ab.

Fazit

Es ist möglich, das Leben selbstbestimmter zu gestalten und (das Gefühl der) Fremdsteuerung zu verringern. Damit geht auch einher, dass wir häufiger intrinsisch motiviert sind. Aber dafür müssen wir etwas tun.

  1. Erkenntnis: Wir können nicht alles kontrollieren oder verändern.
  2. Erkenntnis: Wir sollten das verändern, was in unserem Einflussbereich liegt.
  3. Erkenntnis: Starte da, wo du gerade bist. Beginne mit einem kleinen Kreis und erweitere diesen Stück für Stück. Siehe dazu auch Kaizen oder Kleine Schritte auf dem Weg in ein besseres Leben.

Versuche dich auf die Dinge zu fokussieren, die dir das Gefühl geben, du hast dein Schicksal selbst in der Hand. Das stärkt und führt dazu, dass ein mögliches Gefühl von Hilflosigkeit geringer wird. Für mich persönlich sind Balance und ein guter Mittelweg wichtig: nicht alles kontrollieren wollen, aber auch nicht der Hilflosigkeit hingeben.